Kennst du das: Du bekommst plötzlich Herzrasen, fängst an zu schwitzen und zu zittern, dir wird erst ganz heiß und dann wieder kalt, du bekommst nur schwer Luft und hast ein Engegefühl im Hals, deine Gedanken rasen und du hast vielleicht sogar Angst zu sterben?
Sie sind überwältigend und tauchen scheinbar aus dem Nichts auf: Panikattacken.
Dabei handelt es sich um einen Angstzustand, der sehr schnell sehr stark wird und sich auf verschiedenen Ebenen zeigen kann:
- Verhalten: Vermeidungsverhalten (vermeiden von Orten oder Situationen, wo Panikattacken ausgelöst wurden), Fluchtverhalten (verlassen von Orten/Situationen, die mit Panikattacken in Verbindung gebracht werden), erstarren
- Gefühle: Hilflosigkeit, Unwirklichkeit, Angst (z.B. davor die Kontrolle zu verlieren, verrückt zu werden oder zu sterben), Gefühl neben sich zu stehen oder nicht mehr man selbst zu sein (Depersonalisation), Umgebung als fremd oder unwirklich empfinden (Derealisation)
- Körper: schwitzen, Herzklopfen/Herzrasen, erhöhter Puls, erhöhter Blutdruck, zittern, Kribbeln in den Händen und Füßen, Kurzatmigkeit bis hin zur Atemnot, Kälte- oder Hitzegefühl, Schwindel, Brustschmerzen und Engegefühl im Brustbereich, Benommenheit, Übelkeit, trockener Mund
- Gedanken: Wie komme ich hier raus. Hoffentlich passiert nichts. Hoffentlich wird es nicht schlimmer. Ich halte das nicht aus.
In den ersten zehn Minuten erreicht die Attacke in der Regel ihren Höhepunkt und nach etwa einer halben Stunde ist sie abgeklungen.
Bei Angst handelt sich um eine instinktive Schutzreaktion, die durch einen Gefahren-Reiz (bei einer Panikattacke kann bei dir dafür vielleicht auch schon ein Gedanke reichen) ausgelöst wird. Sie geht vom limbischen System im Gehirn (genauer vom Mandelkern) aus. Dabei wird das Stresshormon Adrenalin ausgeschüttet, die Atmung und die Herztätigkeit werden beschleunigt, die Durchblutung verstärkt und die Muskel angespannt, um uns auf einen Kampf oder Flucht vorzubereiten.
Es handelt sich also um eine ganz normale Reaktion unseres Körpers auf eine Bedrohung. Angst ist ein wichtiges Gefahrensignal: Wenn du nicht in der Lage wärest Gefahren zu erkennen, würdest du dich Risiken aussetzen.
Häufig treten Panikattacken nach belastenden Lebenssituationen auf, z.B. nach einer Trennung, bei zu viel Druck in der Schule/Uni oder im Job, nach dem Tod eines nahestehenden Menschen, nach der Diagnose einer schweren Erkrankung oder in einer existenzbedrohenden Situation (z.B. Entlassung).
Auch durch unverarbeitete Traumata (z.B. durch Missbrauch oder Gewalt) können Panikattacken ausgelöst werden, auch wenn diese Ereignisse schon Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen. Wenn du z.B. in einer unberechenbaren und unsicheren Umgebung aufgewachsen bist, hast du wahrscheinlich gelernt auch dann mit Gefahren zu rechnen, wenn in Wirklichkeit kein Unheil droht, d.h. du bist auf Angstreaktionen konditioniert und dein Körper reagiert auf potentielle Gefahren, lange bevor du kognitiv erfasst hast, was passiert. So kann es z.B. sein, dass bei dir zu Hause eine Tür zuknallt und dein Körper sofort mit oben genannten Symptomen reagiert. Während vielleicht jemand, der nicht traumatisiert ist, sich zuerst kognitiv herleiten kann, dass es wahrscheinlich nur der Wind war und es zu keiner körperlichen Reaktion kommt.
Normalerweise kann sich der Körper durch die Unterstützung des Parasympathikus schnell wieder beruhigen, sobald man eine Situation als harmlos einschätzen kann. Wenn man jedoch traumatisiert ist, kann die Angstreaktion deutlich länger anhalten, auch wenn du dich noch so sehr bemühst dir klarzumachen, dass eigentlich gerade keine Gefahr droht.
Während es durchaus bei einer einzelnen Panikattacke bleiben kann, entwickeln einige Betroffene eine „Angst vor der Angst“, fangen an sich vor der nächsten Attacke zu fürchten, isolieren sich teilweise, fühlen sich immer hilfloser und befürchten die Kontrolle zu verlieren. So kann ein Teufelskreis entstehen, für den du dir bei Bedarf therapeutische Unterstützung suchen solltest.
Nachfolgend findest du die ersten fünf Tipps, wie du sowohl kurz- als auch langfristig mit Panikattacken umgehen kannst.
Tipp 1: Akzeptanz und Mitgefühl
Hingegen der Meinung vieler Ratgeber geht es nicht darum Ängste und Panikattacken zu “besiegen“, “bekämpfen“ oder “loszuwerden“ und sie somit zum Feind zu erklären, sodass alles besser wäre, wenn dieser einfach weg wäre.
Das Problem ist nicht die Angst, sondern dass wir anfangen uns vor ihr zu fürchten, sie zu ignorieren oder zu vermeiden und uns so immer mehr einschränken, anstatt uns den guten Grund für unsere Angst anzuschauen (auch wenn zum Zeitpunkt der Panikattacke vielleicht kein eindeutiger Auslöser erkennbar ist). So kann es z.B. sein, dass wir ständig über die eignen Grenzen hinweggehen, Hinweise unseres Körpers ignorieren, um weiterhin funktionieren zu können, Gefühle unterdrücken bzw. versuchen loszuwerden oder auf Alkohol, Essen oder stundenlanges Fernsehen zurückgreifen, um uns zu betäuben und abzulenken aus Angst uns mit unserer Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft zu beschäftigen.
Vielleicht kannst du deine Angst stattdessen als etwas Wichtiges sehen und lernen sie bewusst und ohne Bewertung wahrzunehmen und zu halten und anschließend beobachten, dass sie wie eine Welle kommt und geht. Mache dir dabei immer wieder bewusst, dass es sich um eine ganz normale Reaktion deines Körpers handelt und du in diesem Moment in Sicherheit bist.
So kannst du der Seite von dir, die Angst hat, mit Mitgefühl begegnen, anstatt sie zu bekämpfen oder zu vermeiden. Dann kannst du herausfinden, was du von ihr wissen musst und deinen Fokus darauf richten, wie du dein Leben gestalten möchtest, vielleicht z.B. mit einem neuen Job, mehr Abgrenzung, ohne deine jetzige Partnerschaft, mit mehr Zeit für deine Kinder, mehr Achtsamkeit für deine Gesundheit oder auch mehr Selbstfürsorge.
Tipp 2: Früh handeln
Werde dein eigener Experte und beobachte die ersten Anzeichen, mit denen sich Angst und Panik bei dir bemerkbar machen. Dafür kannst du dein Verhalten, deine Gefühle, deine Körperempfindungen und deine Gedanken beobachten, die davor und auch währenddessen auftauchen und dir diese notieren. Durch diese Beobachtungen kannst du so früh wie möglich auf diesen Ebenen reagieren und so einer Panikattacke vorbeugen, indem du z.B. Atemtechniken, Bewegung oder Reorientierungstechniken nutzt.
Tipp 3: Ressourcenaktivierung
Die Aktivierung von Ressourcen kann positive Gefühle hervorrufen und somit auch gegen Angst wirken. Dabei können alte Ressourcen wiederbelebt werden, für die du vielleicht auch noch Materialien/Equipment zu Hause hast bzw. aktuelle Ressourcen noch mehr genutzt werden, wie z.B. malen, kochen, backen, lesen, fischen, musizieren, Serien schauen usw. Ebenso kannst du neue Dinge ausprobieren, die dir gut tun bzw. Freude machen und somit auch neue Ressourcen entdecken und verankern.
Tipp 4: Stress-/Alltagsmanagement
Versuche Belastungen in deinem Leben zu erkennen und diese zu verringern, denn Stress begünstigt Angstzustände.
Das Meiden von Nikotin, Alkohol und übermäßigem Kaffeekonsum sowie eine gesunde Ernährung sind ebenfalls wichtige Faktoren für eine gute Stressregulation.
Ebenfalls hilfreich kann es sein ein Entspannungsverfahren zu erlernen, wie z.B. Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung. Auch regelmäßiges Meditieren kann dir dabei helfen mit deinen Ängsten langfristig besser umzugehen. Es gibt einige Apps (z.B. 7Mind oder Headspace), die kostenlose Meditationen anbieten (einige bieten spezielle Meditationskurse für Angstzustände und Panikattacken an).
Tipp 5: Bewusst atmen
Bei einer Panikattacke schnappt man immer mehr nach Luft und vergisst dabei häufig das Ausatmen. So kann es zur Hyperventilation kommen.
Deshalb ist eine Balance bei der Ein- und Ausatmung sehr wichtig und zwar besonders eine verlängerte Ausatmung, die eine beruhigende Wirkung haben kann.
So kannst du z.B. eine Zähltechnik nutzen. Hier wird zum einen deine Konzentration beansprucht, was bei der Reorientierung helfen kann und zum anderen kannst du damit eine verlängerte Ausatmung fördern.
Bei der 2-4-Atemtechnik (alternativ auch 3-6 oder 4-8) zählst du langsam während des Einatmens bis zwei und während des Ausatmens bis vier. Übe diese bewusste Atmung am besten immer mal wieder im entspannten Zustand, damit du sie bei Bedarf dann schnell abrufen kannst. Du kannst die Übung auch noch variieren, indem du sie mit Schritten verbindest, also während des Einatmens zwei und während des Ausatmens vier Schritte gehst.
Eine andere Möglichkeit ist die Bauchatmung. Atme hierfür in den Bauch hinein, sodass sich dieser nach außen wölbt und dein Brustkorb sich möglichst wenig bewegt. Dadurch kann sich das Zwerchfell nach unten bewegen und die Lunge sich weiten. Üben kannst du die Bauchatmung z.B. im Liegen. Hierfür kannst du dich bequem hinlegen und erstmal nur deine Atmung bewusst wahrnehmen. Dann legst du deine Hände auf den Bauch und atmest bewusst gegen deine Hände. Beim Einatmen sollten sie sich heben und beim Ausatmen senken. Wiederhole diesen Prozess ca. 12 mal und übe die Bauchatmung am besten täglich.
Die Bauchatmung kann bei Stress besonders hilfreich sein, da sie den Parasympathikus aktiviert und dich so bei der Stressregulation unterstützen kann.
Im 2. Teil bekommst du sieben weitere Tipps für den Umgang mit Panikattacken.