Was ist ein Trauma?
Das Wort Trauma bedeutet zunächst einmal „Verletzung“.
Situationen, die ein Trauma zur Folge haben können, sind solche die eine Gefahr für das Leben und/oder die körperliche und psychische Unversehrtheit bedeuten. Meist treten solche Ereignisse unerwartet und plötzlich auf und gehen mit Gefühlen wie z.B. Angst, Hilflosigkeit, Schrecken und Ausgeliefertsein einher.
Man unterscheidet zwei Arten von Trauma:
Monotrauma
Ereignisse, die ein Monotrauma zur Folge haben können:
- Unfälle
- kurzdauernde Naturkatastrophen
- Gewalterlebnisse
- Vergewaltigung
- Terroranschlag
- Amoklauf
- Geiselnahme
- Diagnosestellung einer lebensbedrohlichen Erkrankung
- Operationen (z.B. damit verbundenes Gefühl von Hilflosigkeit oder Ausgeliefertsein, während der Narkose etwas mitbekommen)
- Verlust einer nahen Bezugsperson (z.B. plötzlicher Tod des Kindes oder Partners)
Verwandte Begriffe:
Akuttrauma, Schocktrauma
Komplextrauma
Ereignisse, die ein Komplextrauma zur Folge haben können:
In der Kindheit mehrfach auftretende und anhaltende Ereignisse wie z.B.:
- Körperliche/sexualisierte Gewalt, Folter
- Als Kind dauerhaft Zeuge von Gewalt sein
- Psychische Gewalt (z.B. ständige Abwertung oder Demütigung, Androhung von Gewalt)
- Vernachlässigung
- Zusammenleben mit psychisch kranken/traumatisierten Eltern
- besonders häufig für Eltern/Geschwister sorgen müssen (Parentifizierung)
- Krankenhausaufenthalte als Kind (ohne Bindungsperson)
- Länger andauernde schwere Erkrankungen
- Verlust naher Bezugspersonen (z.B. Elternteil oder Geschwisterkind) und damit verbundene Auswirkungen
Im Erwachsenenalter mehrfach auftretende und anhaltende Ereignisse wie z.B.:
- Krieg(-sgefangenschaft), Folter
- Flucht
- langdauernde Naturkatastrophen
- chronische Erkrankungen, die mit intensiven (oft schmerzhaften) Behandlungen einhergehen
Verwandte Begriffe:
Entwicklungstrauma, Bindungstrauma
Einteilung nach Maercker (2009)
Dabei ist nicht das Ereignis an sich traumatisierend. Ob jemand eine Traumafolgestörung entwickelt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. Alter, Häufigkeit der traumatischen Ereignisse, Selbstregulationsfähigkeit, Resilienz, Vorhandensein von Kontakt zu Bindungspersonen nach dem Erleben, die trösten und Halt geben.
Was passiert im Körper?
Wenn wir uns bedroht fühlen, schauen wir uns zunächst um. Zum einen nach anderen Menschen, um uns an deren Stimmen und Gesichtern zu orientieren, ob wir in Gefahr sind und zum anderen, um die Quelle der Bedrohung zu lokalisieren. Wenn wir dabei keine Sicherheit finden und die Bedrohung zunimmt, wechselt unser Organismus instinktiv in eine Kampf- oder Fluchtreaktion und mobilisiert große Mengen an Energie, um sich gegen die Bedrohung zu verteidigen bzw. sich von ihr zu entfernen.
Ist dies nicht möglich, weil es z.B. keinen Fluchtweg gibt oder ein Angreifer stärker ist, kommt es zunächst zur Freeze-Reaktion. Hierbei „friert“ der Körper die zuvor mobilisierte Spannung ein und ein aktives Handeln ist nicht mehr möglich. Von außen betrachtet, wirkt der Körper dabei wie erstarrt, im Inneren herrscht jedoch eine hohe Muskelspannung, um eine sich eventuell doch noch bietende Möglichkeit zur Flucht nutzen zu können. Bei der Freeze-Reaktion handelt es sich also um eine Art Hybrid-Zustand (Stephen Porges) zwischen einem Eingefroren sein in Raum und Zeit („Ich kann mich nicht bewegen.“) und einem Shutdown.
Ist jedoch keine dieser Reaktionen möglich, befinden wir uns in einer ausweglosen Situation, die das Gehirn in seiner Fähigkeit, diese zu verarbeiten, überfordert und es kommt zum Shutdown. So wird das Erleben in einer solchen Situation in einzelne (Erinnerungs-)Fragmente aufgeteilt, um es irgendwie aushaltbar zu machen. Dabei finden Reaktionen statt, die dem Organismus eine größtmögliche Distanzierung zum Geschehen erlauben. Die Körperspannung wird abgeschaltet und Herzschlag und Blutdruck werden stark heruntergefahren. Zudem kommt es durch die Ausschüttung körpereigener Opiate zur Schmerzunempfindlichkeit. Betroffene nehmen sich als nicht zum Körper gehörig wahr, beobachten sich von außen, haben das Gefühl, dass es jemand anderes ist, dem das widerfährt oder werden sogar ohnmächtig. Diesen Vorgang nennt man auch Dissoziation, ein Schutzmechanismus unseres Körpers.
Diese Reaktionen zeigen, dass ein Trauma sich nicht nur im Gehirn zeigt, sondern vor allem auch im Körper, denn Trauma ist nicht das Ereignis, sondern das, was im Nervensystem passiert.
Welche Symptome können sich zeigen?
Nahezu jeder Mensch zeigt nach einem traumatischen Ereignis in den ersten Tagen psychische Belastungssymptome. Dabei haben Betroffene auf der einen Seite das Bedürfnis sich mit dem Geschehenen zu beschäftigen und darüber reden zu wollen. Auf der anderen Seite haben sie das Bedürfnis in Ruhe gelassen zu werden und möglichst alles, was mit dem Geschehenen zu tun hat, vermeiden zu wollen. Zusätzlich haben sie häufig Albträume oder blitzartige Erinnerungen. Außerdem können Betroffene das Gefühl haben „nicht richtig da“ zu sein, sich von anderen nicht verstanden fühlen, zittern, sehr schreckhaft und reizbar sein oder Panik bei dem Gedanken an das Ereignis verspüren.
Diese abwechselnden Phasen und Symptome sind normal und helfen bei der Verarbeitung des Erlebten.
Ein Großteil der Symptome sollte in den darauf folgenden Wochen und Monaten abklingen. Wenn die Symptome mit einer Zeitverzögerung von sechs Monaten und mehr auftreten, spricht man von einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS).
Die Symptome einer PTBS sind:
- Flashbacks: unwillkürlich und plötzlich auftretende Erinnerungen, die Fragmente des Traumas enthalten und häufig mit dem Gefühl einhergehen, das Trauma noch einmal zu erleben und überflutet zu werden. Ausgelöst werden die Flashbacks durch Trigger wie z.B. Gerüche oder Geräusche.
- Vermeidungssymptome: Versuch Gefühle und Gedanken an das Trauma oder auch Aktivitäten und Situationen, die an das Trauma erinnern könnten, zu vermeiden; manchmal kommt es zur Amnesie (keine oder nur teilweise Erinnerung an das Erlebte)
- Übererregung (Hyperarousal): Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit, erhöhte Wachsamkeit
Eine Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (K-PTBS) kann entstehen, wenn Ereignisse in der Kindheit beginnend länger anhalten und/oder sich wiederholen (wie z.B. seelische, körperliche und sexualisierte Gewalt), aber auch nach anhaltenden Erlebnissen im Erwachsenenalter, wie z.B. Kriegsgefangenschaft oder Folter. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Formen zwischenmenschlicher Gewalt.
Durch die Traumatisierung entsteht ein Ungleichgewicht im Nervensystem der Betroffenen. So kann es auf der einen Seite zu Symptomen der Überregung kommen wie erhöhter Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit, Schwitzen, Kribbeln, Atembeschwerden, Nervosität, Ängsten und Panikattacken, verminderter Konzentrations- und Merkfähigkeit, Schlafstörungen, Albträumen, innerer Unruhe, Sorge, dass etwas Schlimmes passieren wird, Zwangsgedanken, erhöhtes Misstrauen gegenüber anderen und sich bedroht fühlen, Wutausbrüchen, Impulsivität und Intrusionen.
Auf der anderen Seite stehen die Symptome der Untererregung wie Erschöpfung und chronische Müdigkeit, Depressionen, Dissoziation, Erinnerungslücken, Gefühl von Sinn- und Gefühllosigkeit, sich wie gelähmt und ohnmächtig fühlen, Benommenheit, Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit.
Ebenfalls können sich Verzweiflung, Scham- und Schuldgefühle, Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen und intimen Beziehungen, ein schwaches Selbstwertgefühl, Selbstabwertung bis hin zu Selbsthass, chronische Schmerzen und Erkrankungen, Reviktimisierungen, Selbstverletzungen, risikoreiches Verhalten, Süchte und Essstörungen zeigen.
Nachfolgend findest du noch einmal zusammengefasst die Symptome für die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und die Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (K-PTBS):
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Symptome:
- Übererregung (Hyperarousal)
- Intrusionen/Flashbacks
- Vermeidungsverhalten
Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (K-PTBS)
Symptome/Komorbiditäten (Begleiterkrankungen):
Schlafstörungen, Albträume, Depressionen, Erschöpfung, Ängste, Panikattacken, Intrusionen, innere Unruhe, Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen und intimen Beziehungen, Dissoziation, Konzentrationsstörungen, Gefühl allein zu sein, Erinnerungslücken, Selbstabwertung, Selbstverletzung, Schwierigkeiten mit Abgrenzung, Essstörungen, Sucht, Wechsel zwischen Über- (Hyper-) und Untererregung (Hypoarousal), Vermeidungsverhalten, Scham- und Schuldgefühle, chronische Schmerzen und Erkrankungen, Reviktimisierungen, risikoreiches Verhalten
Quellen:
- Van der Kolk, Bessel (2017): Verkörperter Schrecken. Lichtenau/Westf.: G.P. Probst Verlag GmbH
- Huber, Michaela (2003): Trauma und die Folgen – Trauma und Traumabehandlung – Teil 1. Paderborn: Junfermann Verlag
- Hantke, Lydia und Görges, Hans-J. (2012): Handbuch Traumakompetenz. Paderborn: Junfermann Verlag
- Heedt, Thorsten (2017): Psychotraumatologie – Traumafolgestörungen und ihre Behandlung. Stuttgart: Schattauer
- Romanus-Ludewig, Alice (2019): Resilienz- und bindungsorientierte Traumatherapie (RebiT). Paderborn: Junfermann Verlag
Du interessierst dich für ein kostenloses Erstgespräch?
Dann kannst du hier einen Termin vereinbaren: